Spot Repair

Was ist Spot Repair beim Lackieren? — sehr ausführlich

Kurz: Spot Repair (auch: Spot-Repair, Spotlackierung oder lokale Ausbesserung) ist eine Technik, bei der Beschädigungen im Lack eines Fahrzeugs lokal (punktuell) repariert und mit dem umliegenden Lack verblendet werden, so dass kein vollständiger Neulack einer ganzen Tür oder eines ganzen Kotflügels nötig wird. Ziel ist, die Optik (Farbton, Glanz, Struktur) unsichtbar oder kaum sichtbar wiederherzustellen — mit möglichst geringem Material- und Zeitaufwand.


Wann wird Spot Repair angewendet?

Spot Repair ist geeignet für:

  • Kleine bis mittlere Steinschläge (Chips), Kratzer, Lackabplatzungen.
  • Lokale Beschädigungen durch Einkerbungen, kleine Dellen (nachdem der Träger instandgesetzt wurde).
  • Korrosionsstellen nach Entfernen von Flugrost (wenn Substanz noch ok).
  • Punktuelle Ausbesserungen an Stossfängern, Zierleisten oder kleinen Flächen.

Nicht geeignet oder problematisch bei:

  • Starken Deformationen großer Flächen oder wenn die Lackschäden die gesamte Struktur eines Panels betreffen.
  • Wenn Farbton/Perle/Metallik so komplex ist, dass ein Verblenden nicht sauber gelingt (manche Perleffekte).
  • Wenn Schadensbild bis auf blankes Metall reicht und Korrosionsschutz größerer Flächen nötig ist — dann oft komplette Teilflächen-Neulack sinnvoller.

Als grobe Richtlinie gilt (aber Hersteller/Finish variieren): bei einfarbigen, unmetallic Lacken sind sichtbare Bereiche bis etwa 10–30 cm Durchmesser oft gut spot-reparierbar; bei metallischen/pearleszenten Lacken sind nur kleinere Bereiche zu empfehlen, weil Pigmentausrichtung und „Flop“ schwer nachzuahmen sind.


Vorteile und Nachteile

Vorteile

  • Kostengünstiger als ein komplettes Panel- oder Fahrzeugneulack.
  • Schneller: weniger Schleifen, weniger Material, kürzere Standzeit.
  • Geringeres Risiko von Farbabweichung über ganze Bauteile.
  • Umwelt: weniger Verbrauch von Lacken und Lösungsmitteln.

Nachteile

  • Erfordert hohe Präzision und Erfahrung, sonst sichtbare Übergänge.
  • Schwieriger bei Metallic/Perle/Effektlacken.
  • Bei schlechter Ausführung kann nach kurzer Zeit eine Naht sichtbar oder der Glanz nicht passend sein.
  • Manche speziellen OEM-Lacke sind schwer/teuer zu matchen.

Werkzeuge und Materialien (Auswahl)

  • HVLP-Spritzpistole (oder Airbrush für sehr kleine Flächen), Druckluftregler.
  • Lacke: original Farbton (OEM-Farbcode) oder gemischte Basislacke (Basecoat) + Klarlack (2K).
  • Primer / Haftvermittler / Füller (Epoxy- oder Polyester-Grund, Füllergrund).
  • Schleifmittel (verschiedene Körnungen): grobe Körnung zum Formen, feine für Finish (z. B. 80–120 / 180–320 / 400–600 / 800–2000 je nach Arbeitsschritt).
  • Maskiermaterial (Papier, Folie, Low-tack Tape) und Soft-Edge-Masking.
  • Abklebematten, Blend-Spray / Blending-Solvent (bei manchen Systemen).
  • IR-Lampe oder Warmluft-Trockner (in Werkstätten üblich).
  • Poliermaschine, Politur, Finish-Compound und Microfaser-Tücher.
  • Atemschutz (2K-Lacke: Atemschutz mit Filter/PA3), Handschuhe, Schutzbrille.
  • Reinigungsmittel: Entfetter/Wachsentferner.

Schritt-für-Schritt — Ablauf einer typischen Spot-Repair

Hinweis: Die konkrete Reihenfolge kann je nach Lacksystem variieren. Herstellerangaben (Flash-off, Schichtdicken, Mischverhältnisse) sind immer zu beachten.

  1. Begutachtung / Schadenstiefenbestimmung
    • Prüfen: Nur Klarlack beschädigt? Basislack verletzt? Bis auf Grundierung/Metall?
    • Bei Rost: Rost komplett entfernen, ggf. ersetzen. Rost darf nicht „nur überstrichen“ werden.
  2. Reinigung
    • Staub, Wachs und Fett mit speziellem Entfetter entfernen. Saubere Oberfläche ist entscheidend.
  3. Vorbereiten / Abschleifen
    • Beschädigte Stellen und Übergangskanten vorsichtig anschleifen.
    • Körnungen: Grobe Arbeiten (Füllerform) z. B. 80–120, Primer anschleifen mit 180–320, vor Basislack scuff (anschliff) mit 400–600.
    • Ziel: glatte Übergangsrampe (Feather-Edge) vom Schaden zum intakten Lack.
  4. Spachteln (falls nötig)
    • Kleine Dellen mit dünnem 2K-Polyester-Spachtel füllen, in dünnen Schichten aufbauen, gut aushärten lassen.
    • Anschließend wieder grob formen und glätten.
  5. Grundierung / Primer
    • Auf blankem Metall: Epoxy- oder Phosphat-Grund (Rostschutz).
    • Auf gespachtelten Stellen: Füllergrund (Primer-Surfacer) auftragen, entweder als Lackspray oder Pistole.
    • Nach Trocknen fein einschleifen (z. B. P320–P400).
  6. Maskieren / Soft-Edge / Blend-Zone festlegen
    • Um unscharfe Übergänge zu bekommen, wird oft ein konisches Maskiermuster oder Soft-Edge-Masking verwendet: das Papier/Behelf so legen, dass die Sprühkante nicht knallig gerade ist, sondern sich stufenlos ausläuft.
    • Bei modernen Techniken werden mehrere Maskierlinien benutzt, die Stück für Stück weiter vom Schaden entfernt sind (Feather- / Blend-Technik).
  7. Auftragen des Basislacks (Basecoat)
    • In dünnen Schichten auftragen, überlappend und leicht über die Reparaturzone hinaus.
    • Bei Effektlacken: sehr kurze, gleichmäßige Sprühgänge, um Pigmentorientierung zu bekommen.
    • Zwischen den Schichten Flash-off-Zeiten beachten.
  8. Blending / Übergangsschicht
    • Insbesondere bei Metallic/Pearl: oft wird der Basislack leicht über den Rand hinaus gesprüht, danach mit Spezialmitteln (Blending-Solvent) die Kante aufgelöst, oder man sprüht eine feine „Verblass“-Kante auf angrenzende Bereiche.
    • Alternativ: Teilweise Basislack auf angrenzende Paneele sprühen, um Farbunterschied auszugleichen („panel blending“).
  9. Klarlack (Clearcoat)
    • Mehrere Schichten Klarlack aufbringen; bei Spot-Repair oft mit abgewandelter Technik an den Rändern (z. B. reduzierter Sprühauftrag), damit die Kante leichter verschwindet.
    • Gute Benetzung, richtige Schichtstärke und gleichmäßige Wellenbildung (Orange Peel) beachten.
  10. Trocknung / Aushärtung
    • Normale Lufttrocknung oder beschleunigt mit IR-Lampe/Wärme. Aushärtezeiten beachten (Hersteller).
  11. Nachbearbeitung: Schleifen & Polieren
    • Nach vollständiger Aushärtung wird ggf. die Oberfläche nassgeschliffen (z. B. 1200–2000) um Orangenhaut zu entfernen.
    • Anschliessend Schleif- und Polierkorridor: mit groberem Compound starten, dann feiner polieren, bis perfekter Glanz erreicht ist.
    • Abschliessendes Lackversiegeln/Wachsen.
  12. Endkontrolle
    • Kontrolle unter natürlichem Tageslicht (Metamerismus beachten!), unterschiedliche Blickwinkel prüfen.

Besondere Herausforderungen: Metallic & Pearlescent Lacke

  • Pigmentorientierung: Metalflake/Perlen richten sich beim Sprühen aus — kleine Flächen können „anders“ schillern.
  • Flop/Shift-Effekt: Der Farbton ändert sich je nach Blickwinkel; das macht visuelles Match schwieriger.
  • Lösungen: Sehr feine Blend-Technik, oft müssen angrenzende Flächen mitbehandelt werden; bei starken Effektlacken ist häufig ein kompletter Panel- oder Teilflächenneulack die verlässlichere Lösung.
  • Spektrophotometer / Farbmischcenter: Profis nutzen instrumentelle Farbmessung und Mischungssysteme, um näher an Originalfarbton zu kommen.

Tipps für ein unsichtbares Ergebnis (Praxiswissen)

  • Feather-Edge ist das A und O: harte Kanten vermeiden.
  • Dünne Schichten statt eine dicke: Kontrolle, geringere Laufneigung, bessere Pigment-Orientierung.
  • Richtige Sprühentfernung & Pistolen-Einstellung: Luftdruck, Düsengröße und Sprühwinkel beeinflussen das Finish.
  • Test-Sprays auf einer Abdeckplatte machen, um Farbton und Deckung zu prüfen.
  • Prüfung unter verschiedenen Lichtbedingungen (Tageslicht, Kunstlicht) wegen Metamerismus.
  • Kanten der Maskierung nicht zu scharf — Soft-Mask oder schrittweise Maskierung nutzen.
  • Politur erst nach vollständiger Aushärtung, sonst verbleibende Lösungsmittel können beim Polieren Probleme machen.

DIY vs. Profi

  • DIY sinnvoll bei: sehr kleinen Chips, Lackstiften oder Airbrush-Arbeiten für kaum sichtbare Stellen; einfache Uni-Farben ohne Metallic oder Speziallacke.
  • Profi empfohlen bei: größeren Flächen, Metallic/Pearl-Lacken, wenn Korrosionsschutz nötig ist oder wenn dauerhaft perfekte Optik erwartet wird. Profis haben Spraykabine, passende Materialien, Farbmischservice und Poliermaschinen.

Sicherheit & Umwelt

  • 2K-Lacke und Lösungsmittel haben starke VOC-Emissionen — daher Atemschutz, Handschuhe, Schutzbrille und gute Werkstattbelüftung sind Pflicht.
  • Lackreste und mit Lösungsmitteln getränkte Materialien als Sondermüll entsorgen.
  • Einhaltung örtlicher Vorschriften zur Verwendung von Lackmaterialien und Emissionen.

Spot Repair …

… ist eine lokalisierte Lackreparatur-Technik, die darauf abzielt, Schäden punktuell zu beheben und mit dem umliegenden Lack zu verblenden, um einen kosteneffizienten, schnellen und optisch unauffälligen Reparaturresultat zu erzielen. Die Herausforderung liegt im richtigen Vorbereiten, exakten Farbtonmatch und dem sauberen Verblenden — besonders schwierig bei Metallic- und Perleffekten. Für kleine Schäden und Unifarben ist Spot Repair oft die beste Wahl; bei größeren oder sehr speziellen Lacken ist eine professionelle Komplettlackierung die verlässlichere Option.